Sitzung: 08.03.2022 GRR/002/2022
Sachverhalt:
Am 17.
Februar wurde bei der Verwaltung das Bürgerbegehren „Zukunft der Winnestraße“
eingereicht. Es ist dieser Beschlussvorlage als Anlage beigefügt.
Vertreter
des Bürgerbegehrens sind:
1. Herr Stefan Müller, Flörstraße 27a, 63924 Rüdenau
2. Herr Kevin Mühling, Rosenbergstraße 22,
63924 Rüdenau
Gemäß Art. 18a Abs. 8 GO entscheidet der
Gemeinderat unverzüglich, spätestens innerhalb eines Monats nach Einreichung
des Bürgerbegehrens, über die Zulässigkeit.
Die Verwaltung hat die eingereichten Unterschriften (Stand 17.02.2022)
des Bürgerbegehrens überprüft und ist zu folgendem Ergebnis gelangt:
Die eingereichte Liste umfasst 332
Unterschriften. 327 der Unterschriften stammen von Gemeindebürgern im Sinne des
Art. 15 Abs. 2 GO i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GLKrWG, also von solchen
Gemeindeangehörigen, die nach Art. 18a Abs. 5 Satz 1 GO berechtigt waren, am
Bürgerbegehren teilzunehmen.
Nach Art. 18a Abs. 6 GO muss ein Bürgerbegehren in Gemeinden mit bis zu 10 000 Einwohnern von mindestens 10 v.H. der Gemeindebürger unterschrieben sein. Die Zuordnung der Gemeinde Rüdenau in diese Kategorie erfolgte nach der vom Landesamt für Statistik und Datenverarbeitung in Bayern mitgeteilten offiziellen Einwohnerzahl zum 30.06.2019. 727 Einwohner waren zu diesem Zeitpunkt gemeldet. Das für den 17.02.22 angelegte Bürgerverzeichnis umfasst 625 Bürger. Somit hat das Bürgerbegehren mit 327 Unterschriften das geforderte Quorum von 63 Unterschriften deutlich übertroffen.
Rechtliche Prüfung und Würdigung des Bürgerbegehrens:
Unterschriften, Gestaltung der
Unterschriftslisten, Vertreterbenennung
Diese Voraussetzungen liegen vor.
Kein
Ausschlussgrund nach Art. 18a Abs. 3 GO
Ein Ausschlussgrund nach Art. 18a Abs. 3 GO
liegt nicht vor. Insbesondere handelt es sich bei Fragen der Bauleitplanung
nicht um eine Angelegenheit, die kraft Gesetzes dem ersten Bürgermeister
obliegt.
Angelegenheit des
eigenen Wirkungskreises der Gemeinde, Art. 18a Abs. 1 GO
Beim vorliegenden Bürgerbegehren handelt es sich um eine Angelegenheit
des eigenen Wirkungskreises der Gemeinde. Zum eigenen Wirkungskreis gehört die
Bauleitplanung als Teil der kommunalen Planungshoheit, welche wiederum Teil des
Selbstverwaltungsrechts der Gemeinden ist (Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG).
Bauleitplanungen sind Angelegenheiten, die in der örtlichen Gemeinschaft
wurzeln und einen ganz spezifischen örtlichen Bezug aufweisen. Entscheidungen
darüber haben direkten Einfluss auf das Zusammenleben der Menschen in der
Gemeinde. Solche Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft sind von den
Gemeinden in eigener Verantwortung zu regeln.
Zudem nennt Art. 83 Abs. 1 BV „Ortsplanung“ als Aufgabe des eigenen
Wirkungskreises. Auch die Tatsache, dass § 1 Abs. 7 BauGB von einer Abwägung
spricht, deutet auf den eigenen Wirkungskreis hin, da die Gemeinde nur dort
Ermessen hat. § 1 Abs. 3 BauGB lässt auf eine mittelbare Pflichtaufgabe des
eigenen Wirkungskreises („die Gemeinden haben die Bauleitpläne aufzustellen“)
schließen.
Entscheidungscharakter
Die mit dem Bürgerbegehren unterbreitete Fragestellung muss
Entscheidungscharakter besitzen. Dies ergibt sich schon aus dem Wortlaut des
Gesetzes, da Art. 18a Abs. 4 S. 1 GO von einer „zu entscheidenden
Fragestellung“ und Art. 18a Abs. 14 GO von der „verlangten Maßnahme“ spricht.
Diese Voraussetzung ist ebenfalls erfüllt, da die Beantwortung der Frage eine
Positionierung für oder gegen das Anliegen verlangt.
Bestimmtheit der
Frage
Die Zulassung eines Bürgerbegehrens setzt als ungeschriebenes
Tatbestandsmerkmal eine ausreichend bestimmte Fragestellung voraus. Auch diese
Voraussetzung ist erfüllt. Die verlangte Maßnahme, die Einleitung eines
Bebauungsplanverfahrens seitens der Gemeinde Rüdenau, ist klar erkennbar.
Verstoß gegen
rechtliche Vorschriften
Die Gemeinde übt ihr Selbstverwaltungsrecht
nur im Rahmen der Gesetze aus (Art. 20 Abs. 3 GG). Über das ursprüngliche
Bürgerbegehren konnte der Gemeinderat daher nicht beschließen, da dessen
Formulierung („Sind Sie dafür, dass in der Winnestraße im Rahmen eines
ordentlichen Bauleitplanungsverfahrens ein Mischgebiet ausgewiesen wird?“)
gegen § 1 Abs. 7 BauGB verstieß, indem es das Ermessen der Gemeinde verkannte.
Dieser Mangel ist im neuen Antrag behoben, die Fragestellung lautet nun: „Sind
Sie dafür, dass die Gemeinde Rüdenau in der Winnestraße ein Bebauungsplanverfahren
einleitet, mit dem Ziel, dort ein Mischgebiet auszuweisen?“ Es liegt somit kein
Verstoß gegen geltendes Recht mehr vor. Das Begehren ist auf ein rechtlich
zulässiges Ziel gerichtet.
Keine bereits
vollzogene Maßnahme
Auch diese Voraussetzung ist erfüllt. Die geforderte Maßnahme, die
Einleitung eines Bebauungsplanverfahrens in der Winnestraße, ist noch nicht
vollzogen.
Begründung nach
Art. 18a Abs. 4 GO
Das Bürgerbegehren enthält, der gesetzlichen Forderung entsprechend,
eine Begründung.
Inhalt der
Begründung
Der Inhalt der Begründung ist nicht zu beanstanden. Insbesondere ergibt
sich aus dieser nicht, dass das Begehren auf ein rechtlich unzulässiges Ziel
gerichtet wäre.
Ergebnis
Es ist festzustellen, dass das vorliegende Bürgerbegehren zulässig ist.
Beratung:
Bürgermeisterin
Wolf-Pleßmann erklärt hierzu folgendes:
Ich hatte heute
Vormittag ein längeres Gespräch mit der Expertin für Bürgerbegehren des bay.
Gemeindetages.
Grundsätzlich ist
klar, dass die Fragestellung wohl bereinigt, aber sonst kaum von der
ursprünglichen Fragestellung abweicht. Nach wie vor wird die Einleitung eines
Bauleitplanungsverfahrens mit einem bestimmten Ziel für bestimmte Grundstücke
gefordert.
Eigentlich müsste eine
Gemeinde nur dann ein Bauleitplanverfahren einleiten, wenn dies auch
städtebaulichen Gründen erforderlich ist (§1 Abs. 3 BauGB).
Die Zulässigkeit von
Bürgerbegehren und deren niedrige Zulassungsbeschränkungen setzt hier ganz
bewusst auch auf laienhaftes Wissen und ist bei Zulässigkeit keine politische
Frage mehr, sondern eine objektive Frage. D.h. uns bleibt keine Wahl. Wir
müssen zustimmen, ob wir das für sinnig oder unsinnig erachten bzw. wir davon
ausgehen können, dass das Bauleitplanverfahren aus den verschiedensten Gründen
vermutlich scheitern wird. Der Leittragende wird deshalb voraussichtlich der
Rüdenauer Steuerzahler:in sein. Wir, die Gemeinde Rüdenau, muss – da ja
bekanntlich kein Städtebaulicher Vertrag unterschrieben wurde – die gesamten
Kosten des Verfahrens tragen.
Fest steht: Die Gemeinde
Rüdenau muss innerhalb von 3 Monaten einen Bürgerentscheid ausrichten. Wie bei
jeder anderen Wahl auch. Wahlaufforderungen müssen gedruckt und verschickt
werden, Stimmzettel gedruckt werden, Briefwahlunterlagen verschickt werden, die
Gemeinderät:innen müssten an einem Sonntag den Wahldienst von 8 Uhr bis 18 Uhr
übernehmen und anschließend auszählen. Kosten von einigen Tausend Euro
Steuergeld allein für die Ausrichtung des Bürgerbegehrens.
Verbranntes Geld
könnte man es auch nennen. Und dabei macht mich das angesichts der anstehenden
Aufgaben schlicht fassungslos.
Um wenigstens die
Kosten des Bürgerbegehrens, also nur diesen finanziellen Schaden, denn nur
diesen Schaden können wir von der Gemeinde Rüdenau abwenden, schlage ich vor,
dass wir heute beschließen, das Bauleitplanverfahren heute einzuleiten.