Sachverhalt:

Am 17. Februar wurde bei der Verwaltung das Bürgerbegehren „Zukunft der Winnestraße“ eingereicht. Es ist dieser Beschlussvorlage als Anlage beigefügt.

 

Vertreter des Bürgerbegehrens sind:

 

1. Herr Stefan Müller, Flörstraße 27a, 63924 Rüdenau

2. Herr Kevin Mühling, Rosenbergstraße 22, 63924 Rüdenau

 

Gemäß Art. 18a Abs. 8 GO entscheidet der Gemeinderat unverzüglich, spätestens innerhalb eines Monats nach Einreichung des Bürgerbegehrens, über die Zulässigkeit.

 

Die Verwaltung hat die eingereichten Unterschriften (Stand 17.02.2022) des Bürgerbegehrens überprüft und ist zu folgendem Ergebnis gelangt:

 

Die eingereichte Liste umfasst 332 Unterschriften. 327 der Unterschriften stammen von Gemeindebürgern im Sinne des Art. 15 Abs. 2 GO i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GLKrWG, also von solchen Gemeindeangehörigen, die nach Art. 18a Abs. 5 Satz 1 GO berechtigt waren, am Bürgerbegehren teilzunehmen.

 

Nach Art. 18a Abs. 6 GO muss ein Bürgerbegehren in Gemeinden mit bis zu 10 000 Einwohnern von mindestens 10 v.H. der Gemeindebürger unterschrieben sein. Die Zuordnung der Gemeinde Rüdenau in diese Kategorie erfolgte nach der vom Landesamt für Statistik und Datenverarbeitung in Bayern mitgeteilten offiziellen Einwohnerzahl zum 30.06.2019. 727 Einwohner waren zu diesem Zeitpunkt gemeldet. Das für den 17.02.22 angelegte Bürgerverzeichnis umfasst 625 Bürger. Somit hat das Bürgerbegehren mit 327 Unterschriften das geforderte Quorum von 63 Unterschriften deutlich übertroffen.

 

Rechtliche Prüfung und Würdigung des Bürgerbegehrens:

 

Unterschriften, Gestaltung der Unterschriftslisten, Vertreterbenennung

 

Diese Voraussetzungen liegen vor.

 

Kein Ausschlussgrund nach Art. 18a Abs. 3 GO

 

Ein Ausschlussgrund nach Art. 18a Abs. 3 GO liegt nicht vor. Insbesondere handelt es sich bei Fragen der Bauleitplanung nicht um eine Angelegenheit, die kraft Gesetzes dem ersten Bürgermeister obliegt.

 

Angelegenheit des eigenen Wirkungskreises der Gemeinde, Art. 18a Abs. 1 GO

 

Beim vorliegenden Bürgerbegehren handelt es sich um eine Angelegenheit des eigenen Wirkungskreises der Gemeinde. Zum eigenen Wirkungskreis gehört die Bauleitplanung als Teil der kommunalen Planungshoheit, welche wiederum Teil des Selbstverwaltungsrechts der Gemeinden ist (Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG). Bauleitplanungen sind Angelegenheiten, die in der örtlichen Gemeinschaft wurzeln und einen ganz spezifischen örtlichen Bezug aufweisen. Entscheidungen darüber haben direkten Einfluss auf das Zusammenleben der Menschen in der Gemeinde. Solche Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft sind von den Gemeinden in eigener Verantwortung zu regeln.

Zudem nennt Art. 83 Abs. 1 BV „Ortsplanung“ als Aufgabe des eigenen Wirkungskreises. Auch die Tatsache, dass § 1 Abs. 7 BauGB von einer Abwägung spricht, deutet auf den eigenen Wirkungskreis hin, da die Gemeinde nur dort Ermessen hat. § 1 Abs. 3 BauGB lässt auf eine mittelbare Pflichtaufgabe des eigenen Wirkungskreises („die Gemeinden haben die Bauleitpläne aufzustellen“) schließen.

 

Entscheidungscharakter

 

Die mit dem Bürgerbegehren unterbreitete Fragestellung muss Entscheidungscharakter besitzen. Dies ergibt sich schon aus dem Wortlaut des Gesetzes, da Art. 18a Abs. 4 S. 1 GO von einer „zu entscheidenden Fragestellung“ und Art. 18a Abs. 14 GO von der „verlangten Maßnahme“ spricht. Diese Voraussetzung ist ebenfalls erfüllt, da die Beantwortung der Frage eine Positionierung für oder gegen das Anliegen verlangt.

 

Bestimmtheit der Frage

 

Die Zulassung eines Bürgerbegehrens setzt als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal eine ausreichend bestimmte Fragestellung voraus. Auch diese Voraussetzung ist erfüllt. Die verlangte Maßnahme, die Einleitung eines Bebauungsplanverfahrens seitens der Gemeinde Rüdenau, ist klar erkennbar.

 

Verstoß gegen rechtliche Vorschriften

 

Die Gemeinde übt ihr Selbstverwaltungsrecht nur im Rahmen der Gesetze aus (Art. 20 Abs. 3 GG). Über das ursprüngliche Bürgerbegehren konnte der Gemeinderat daher nicht beschließen, da dessen Formulierung („Sind Sie dafür, dass in der Winnestraße im Rahmen eines ordentlichen Bauleitplanungsverfahrens ein Mischgebiet ausgewiesen wird?“) gegen § 1 Abs. 7 BauGB verstieß, indem es das Ermessen der Gemeinde verkannte. Dieser Mangel ist im neuen Antrag behoben, die Fragestellung lautet nun: „Sind Sie dafür, dass die Gemeinde Rüdenau in der Winnestraße ein Bebauungsplanverfahren einleitet, mit dem Ziel, dort ein Mischgebiet auszuweisen?“ Es liegt somit kein Verstoß gegen geltendes Recht mehr vor. Das Begehren ist auf ein rechtlich zulässiges Ziel gerichtet.

 

Keine bereits vollzogene Maßnahme

 

Auch diese Voraussetzung ist erfüllt. Die geforderte Maßnahme, die Einleitung eines Bebauungsplanverfahrens in der Winnestraße, ist noch nicht vollzogen.

 

Begründung nach Art. 18a Abs. 4 GO

 

Das Bürgerbegehren enthält, der gesetzlichen Forderung entsprechend, eine Begründung.

 

Inhalt der Begründung

 

Der Inhalt der Begründung ist nicht zu beanstanden. Insbesondere ergibt sich aus dieser nicht, dass das Begehren auf ein rechtlich unzulässiges Ziel gerichtet wäre.

 

Ergebnis

 

Es ist festzustellen, dass das vorliegende Bürgerbegehren zulässig ist.

 

Beratung:

Bürgermeisterin Wolf-Pleßmann erklärt hierzu folgendes:

Ich hatte heute Vormittag ein längeres Gespräch mit der Expertin für Bürgerbegehren des bay. Gemeindetages.

Grundsätzlich ist klar, dass die Fragestellung wohl bereinigt, aber sonst kaum von der ursprünglichen Fragestellung abweicht. Nach wie vor wird die Einleitung eines Bauleitplanungsverfahrens mit einem bestimmten Ziel für bestimmte Grundstücke gefordert.

Eigentlich müsste eine Gemeinde nur dann ein Bauleitplanverfahren einleiten, wenn dies auch städtebaulichen Gründen erforderlich ist (§1 Abs. 3 BauGB).

Die Zulässigkeit von Bürgerbegehren und deren niedrige Zulassungsbeschränkungen setzt hier ganz bewusst auch auf laienhaftes Wissen und ist bei Zulässigkeit keine politische Frage mehr, sondern eine objektive Frage. D.h. uns bleibt keine Wahl. Wir müssen zustimmen, ob wir das für sinnig oder unsinnig erachten bzw. wir davon ausgehen können, dass das Bauleitplanverfahren aus den verschiedensten Gründen vermutlich scheitern wird. Der Leittragende wird deshalb voraussichtlich der Rüdenauer Steuerzahler:in sein. Wir, die Gemeinde Rüdenau, muss – da ja bekanntlich kein Städtebaulicher Vertrag unterschrieben wurde – die gesamten Kosten des Verfahrens tragen.

Fest steht: Die Gemeinde Rüdenau muss innerhalb von 3 Monaten einen Bürgerentscheid ausrichten. Wie bei jeder anderen Wahl auch. Wahlaufforderungen müssen gedruckt und verschickt werden, Stimmzettel gedruckt werden, Briefwahlunterlagen verschickt werden, die Gemeinderät:innen müssten an einem Sonntag den Wahldienst von 8 Uhr bis 18 Uhr übernehmen und anschließend auszählen. Kosten von einigen Tausend Euro Steuergeld allein für die Ausrichtung des Bürgerbegehrens.

Verbranntes Geld könnte man es auch nennen. Und dabei macht mich das angesichts der anstehenden Aufgaben schlicht fassungslos.

Um wenigstens die Kosten des Bürgerbegehrens, also nur diesen finanziellen Schaden, denn nur diesen Schaden können wir von der Gemeinde Rüdenau abwenden, schlage ich vor, dass wir heute beschließen, das Bauleitplanverfahren heute einzuleiten.